DIE DAMEN
1987 gründeten ONA B. (1957 Wien – Wien), Evelyne Egerer (1955 Wien – Wien), Birgit Jürgenssen (1949, Wien – 2003 Wien) und Ingeborg Strobl (1949 Schladming – 2017 Wien) die Künstlerinnengruppe DIE DAMEN als eine Art erste „Girlgroup“ der bildenden Kunst. Nach dem Ausscheiden von Ingeborg Strobl im Jahr 1992 kam im Folgejahr Lawrence Weiner (1942 New York – Amsterdam und New York), einer der Pioniere der Konzeptkunst, als neues Mitglied hinzu. Die Gruppe bestand bis 1996.
DIE DAMEN inszenierten sich in Live-Auftritten und Aktionen als kollektives Kunstwerk. Ihre künstlerische Methode war das Rollenspiel. Die Themen waren scheinbar banal, de facto aber subversiv. Mit ironischem Blick überhöhten sie herrschende Klischeevorstellungen von Geschlechterrollen. Die fotografischen Zeugnisse ihrer Selbstdarstellungen zeigen die Gruppe in choreografierten, mitunter synchron ausgeführten Posen in öffentlichen und privaten Lebensbereichen und erinnern als „lebende Bilder“ an das historische Tableau vivant. Wichtige Ausdrucksformen waren Körpersprache und Gestik sowie das Design und Styling ihrer Outfits und Accessoires. Vorzugsweise traten DIE DAMEN im kostümierten Einheitslook auf. Stets betonten sie ihre weibliche Sexualität in unterschiedlichen Klischeebildern – sei es mit klassischen Business-Kostümen oder Arbeitsschürzen – und führten uns damit gesellschaftskritisch die traditionell der Frau zugeschriebene passive Rolle vor Augen. Die Kostümierung und das von den Künstlerinnen verkörperte neue feministische Selbstbewusstsein wirkten aber auch wie ein Nachklang auf die Kunstfiguren der Glam-Rock-Bewegung seit den 1970er-Jahren, die das Credo vertrat, dass jeder die Fähigkeit besitze, ein Star zu sein. Gleichzeitig thematisierten DIE DAMEN Alltagsszenerien im trauten Heim und damit die ungeschönte Wirklichkeit von abgekämpften Hausfrauen. Durch parodistische Inszenierung und mit pointiertem Witz spiegelten sie den männlichen Blick. Gleichzeitig demonstrierten sie souverän jene für die 1980er-Jahre charakteristische „coole“ Selbstdistanziertheit. DIE DAMEN traten nahezu zeitgleich mit den US-amerikanischen Guerilla Girls (seit 1985) als selbstbewusste Protagonistinnen im Kampf für den gleichberechtigten Stellenwert von Künstlerinnen, die gegen die Dominanz von weißen Männern in der Kunstwelt opponierten, auf.
Da DIE DAMEN Live-Events bevorzugten, sind nur wenige materielle Arbeiten erhalten. Die Sammlung Generali Foundation erwarb sehr früh einzelne Werke von ONA B., Evelyne Egerer und Ingeborg Strobl. 2019 wurden ein Konvolut rarer Werke sowie Werkdokumentationen erworben, ergänzt durch eine großzügige Schenkung der Künstlerinnen. Damit kann das Schaffen dieser herausragenden und in Österreich zu dieser Zeit einzigartigen Künstlerinnengruppe mit einem umfassenden Werkblock dokumentiert werden. Im Bestand befinden sich unter anderem Fotografien der ersten Aus gegebenem Anlass betitelten Aktion, die am 8. Jänner 1988 im Bahnhofsrestaurant am Wiener Westbahnhof stattfand. Darunter sind auch der erste Vintage-Fotoabzug für die bekannt gewordene Postkarte, die als Einladung verschickt wurde, ein Gruppenfoto der Künstlerinnen, auf dem sie übliche Gruppenaufnahmen von Künstlern persiflierten, sowie die Dokumentation ihrer Damensprechstunde, die sie am 22. Oktober 1995 im Salzburger Hotel Bristol veranstalteten. Erhalten geblieben sind Fotodokumentationen, Versatzstücke, Gegenstände und Utensilien. Als Künstlerinnenkollektiv standen DIE DAMEN in der Tradition der Live-Art der 1960er-Jahre, die das Erlebnis der Teilhabe an einem Ereignis und die Erinnerung höherstellt als die Produktion materieller Werke. (Doris Leutgeb)