Dominik Steiger
Dominik Steiger wurde 1940 in Wien, Österreich, geboren. Nach einem abgebrochenen Studium der Staatswissenschaften und der Slawistik trat Steiger von 1958 bis 1959 in den Dienst der französischen Fremdenlegion ein. Danach unternahm Steiger Anfang der 1960er-Jahre ausgedehnte Reisen nach Frankreich, die Türkei, den Iran, Pakistan und Indien. Seine Bekanntschaft mit dem Lyriker Hermann Schürrer und ab den 1960er-Jahren der intensive Austausch mit den Mitgliedern der Wiener Gruppe – H. C. Artmann, Gerhard Rühm, Konrad Bayer und Oswald Wiener – beförderten Steigers eigene künstlerischen und literarischen Ambitionen. Er schuf in diesem Umfeld Werke, in denen er die Grenzen der verschiedenen Künste spielerisch überschritt, und diese unkonventionell miteinander verband. Der Schweizer Dichter und Künstler Dieter Roth, mit dem Steiger seit Mitte der 1960er Jahre eine Freundschaft verband, wirkte befruchtend für sein Werk. Eine weitere große Leidenschaft von Steiger galt der Musik. Ende der 1979er Jahre entstand aus der Zusammenarbeit von Steiger und Roth eine Langspielplatte. Erste Gedichte publizierte er 1961 im Selbstverlag. Sein literarisches Werk erschien in den 1960er Jahren bei Suhrkamp und wurde, nachdem sich Steiger für längere Zeit fast gänzlich aus dem Literaturbetrieb zurückgezogen hatte, in den 1990er Jahren vom Literaturverlag Droschl verlegt. 2004 erhielt Steiger den Würdigungspreis für Literatur der Republik Österreich. Er verstarb im Jahr 2014 in Wien.
Entsprechend seinen Anfängen als Dichter steht in Steigers ab Anfang der 1970er Jahre entstehendem bildnerischen Werk, das Zeichnungen, Malerei, Materialbilder, Druckgrafiken, Kleinplastiken, Audiokassetten und Videos umfasst, die Sprache im Mittelpunkt. In der Sammlung der Generali Foundation befinden sich frühe Zeichnungen, die den Titel "Knöchelchen" tragen. In diesen setzt er mit zarten Bleistiftstrichen an winzige Knochen erinnernde Formen aufs Papier, die, weil sie so klein sind und auf Grund ihrer Anordnung - einmal tabellarisch wie ein Alphabet in einem Setzkasten, einmal wie in Schreibschrift zu einem zarten Linienfluss verbunden - an Schriftzeichen erinnern und Bedeutung suggerieren, sich dabei jedoch konventioneller Lesbarkeit und damit jeglicher Eindeutigkeit entziehen. Seine, ebenfalls in der Sammlung vertretenen Werke aus der Serie der sogenannten "Letterfälle" zeichnen sich durch ihren spielerischen Umgang mit Sprache und Schrift aus und arbeiten etwa mit Klangähnlichkeiten zwischen Worten verschiedener Sprachen oder beruhen auf Achrostika. Das sind Schriftbilder in Form von Leistenversen bzw. Leistengedichten, bei denen die Anfangsbuchstaben der Zeilen vertikal eigene Worte ergeben und folglich eine zweite Leserichtung ermöglichen. Seine gegenüber festgelegten Bedeutungen hermetischen Schriftzeichen weisen darauf hin, dass durch konventionelle Sprache vieles nicht ausgedrückt werden kann, was in der Ordnung der Zeichen durch die Herrschaft des rationalen Diskurses verdrängt wird. In seiner Schrift, die keine direkte Verweisfunktion hat, bleibt allein die materielle Seite der Zeichen bestehen - jene Seite also, die in den Dualismen der abendländischen Kultur (wie Körper/Geist, Natur/Kultur, Tier/Mensch) zunehmend unterdrückt wurde, und die es zu beherrschen galt. Steigers Werke erscheinen als Versuch, die herrschende Sprache gegenüber diesem Unterdrückten zu öffnen. Obwohl Steiger mit Künstlern wie Oswald Wiener, Gerhard Rühm, Dieter Roth, Günter Brus und Hermann Nitsch auf Augenhöhe zusammengearbeitet hat, präsentierte er sich stets als "bastelnder Amateur", der zum Beispiel Objekte aus Tischlereiabfällen schuf und Aquarelle auf Küchenpapier malte. Dementsprechend arbeitete er bevorzugt mit den Mitteln der Collage und Assemblage. Seine skeptische und oft auch humorvolle Haltung gegenüber dem Kunstbetrieb verbindet ihn, neben seiner Position als Dichter, der sich von der "brotlosen" Dichtung ab- und der lukrativeren bildenden Kunst zuwendete, und der Stellung seines Werks zwischen Wort- und Bildkunst, mit dem ebenfalls in der Sammlung vertretenen belgischen Konzeptkünstler Marcel Broodthaers.
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