Lois Weinberger
Lois Weinberger wurde 1947 in Stams, Tirol, Österreich, geboren. Er absolvierte zunächst eine Lehre als Schlosser und Kunstschmied (1963-1977) und besuchte anschließend die Wiener Kunstschule. Von 1993 bis 1994 unterrichtete er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe, Deutschland, und erhielt von 1994-95 ein Atelierstipendium des Künstlerhauses Bethanien, Berlin, Deutschland, sowie 1999 das Große Kunststipendium des Landes Tirol. Von 1996 bis 2004 nahm er an etlichen Symposien teil und hielt Vorträge und Gastvorlesungen zum Thema Kunst und Natur sowie Naturlandschaften an renommierten Institutionen, Hochschulen und Universitäten in Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich und Japan.
Der Künstler hat national und international an zahlreichen Groß- und Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter 1985 De Sculptura, Wien, 1991 Biennale São Paulo, Brasilien, 1997 documenta X Kassel, Deutschland, 2001 Sonsbeek 9, Arnheim, Belgien, 2004 Liverpool Biennale, UK, 2009 vertrat der Künstler Österreich im Österreichischen Pavillon, Biennale di Venezia, Italien und 2017 documenta 14, Athen, Griechenland und Kassel, Deutschland. Einzelausstellungen, die dem Künstler gewidmet waren, u.a. 1999 Watari-Um Museum of Contemporary Art Tokyo, Japan, 2000 Camden Arts Centre, London, UK, 2000 Museum Moderner Kunst 20er Haus Wien, 2001 Bonner Kunstverein, Deutschland, 2002 Galerie im Taxispalais, Innsbruck, Österreich, 2003 Villa Merkel Esslingen und Kunstverein Hannover, Deutschland, 2004 Kunsthallen Brandts Klaedefabrik, Odense, Oslo, Norwegen, 2005 S.M.A.K. Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent, Belgien, 2008 Lentos Kunstmuseum Linz, Österreich, 2009 tranzit, Bratislava, Slowakei, 2011 Musée d'Art Moderne, Saint Etienne, Frankreich, 2012 Villa Dieu Seul Sait, Cotonou, Benin, 2013 Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck, Österreich, 2015 S.M.A.K. Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent, Belgien, 2015 Kunsthalle Mainz, Deutschland, 2016 Salle Principale, Paris, Frankreich, 2017 nGbK, Berlin, Deutschland, 2018 Frac Franche-Comté, Besancon, Frankreich, 2019 Watari-Um Museum of Contemporary Art, Tokyo, Japan, 2019 Tinguely Museum, Basel, Schweiz und posthum 2021 das 21er Haus Belvedere, Wien.
Der Künstler erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1985 den Förderungspreis für Bildende Kunst, Bundesministerium für Unterricht und Kunst, Wien, 1998 den Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst, 2005 den Würdigungspreis für Bildende Kunst, Bundeskanzleramt, Wien, und das Ehrenzeichen der Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck, sowie 2006 den Tiroler Landespreis für Kunst. 2007 ehrte die Universität Innsbruck Weinberger zu seinem 60. Geburtstag mit der Ernennung zum Professor. Im Jahr 2010 erhielt er den Würdigungspreis für Bildende Kunst des Landes Niederösterreich und 2014 den Kunstpreis der Klocker-Stiftung Innsbruck, Tirol.
Lois Weinberger lebte und arbeitete in Innsbruck, Gars am Kamp und in Wien, wo er im Jahr 2020 starb.
Lois Weinbergers Interesse galt der Natur, die von der menschlichen Zivilisation verdrängt wurde. Seit den 1970er Jahren wurde er zu einem unbequemen Vordenker und Pionier für ökologisches Bewusstsein und löste mit seinem Werk Diskussionen über das Verhältnis von Natur und Kultur aus. Die Bandbreite seiner künstlerischen Mittel war groß: Die traditionellen Medien Zeichnung, Druckgrafik, Malerei und Skulptur traten zunehmend in den Hintergrund. Im Laufe der Jahre fand er zu einer konzeptionellen Arbeitsweise und einem prozessorientierten Denken, für das sich Film, Aktion und die Verwendung von Fundstücken besser eigneten. Seit 1999 arbeitet er mit seiner Frau Franziska zusammen.
Lois Weinberger, der sich selbst unprätentiös als "Feldarbeiter" bezeichnete, war ein subversiver Aktivist und praktizierte ökologischen Widerstand. Es ging ihm darum, Freiräume für die Natur zu schaffen. Diese fand er in Randgebieten und an den Schnittstellen von Zivilisation und Natur, wo er minderwertig eingestufte Pflanzen aussäte oder Spontanvegetation zuließ. Das wild wachsende Unkraut war für ihn ein Symbol für das Ausgegrenzte, Unerwünschte und Ungeordnete. In seinen Werken thematisierte er das ungezügelte Wachstum jenseits aller Kultivierung, als Symbol für Werden und Vergehen und als politische Metapher für das Andere.
Weinberger nannte seine Pflanzungen " Gebiete ", um sie von der bewussten Gestaltung der angelegten Gärten zu unterscheiden. Er bevorzugte Pflanzen aus dem pannonischen Raum, der ungarischen Tiefebene, der Welser Heide und dem städtischen Umfeld. Dabei handelte es sich immer um so genannte Ruderalpflanzen, die sich unbemerkt auf groben Böden, in unbewirtschafteten Randbereichen und Zwischenzonen ansiedeln und ihr Überleben an schwierigste Bedingungen anpassen.
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 bewässerte Weinberger das Gestrüpp im Todesstreifen. 1993 führte er in der Stadt Salzburg während der Festspielzeit die Aktion "Brennen und Gehen" durch, ließ in der Innenstadt ein acht mal acht Meter großes Feld aus dem Asphalt hauen und überließ diese Lücke im Boden dem Wind und dem Zufall zur Bepflanzung. Für seine Teilnahme an der documenta X (1997) streute er auf einem stillgelegten Bahngleis am Kasseler Kulturbahnhof Samen von fremden, nicht heimischen Pflanzen aus Süd- und Südosteuropa aus. Die Bepflanzung breitete sich als invasiver Wildwuchs aus, verdrängte, überwucherte und vermischte sich mit der einheimischen Vegetation, löste Debatten über Hierarchien, Kulturen und Migration als politische Metapher aus und erregte internationale Aufmerksamkeit. Diese Arbeit blieb dauerhaft in Kassel. Im Rahmen der documenta XII (2017) präsentierte Weinberger in einer Vitrine in Athen seine Familiengeschichte in Kombination mit dem "Unkraut", das auf dem elterlichen Hof wuchs. In Kassel störte das Künstlerpaar den englischen Rasen in den Karlsauen mit einer Unkrautfläche.
Die Realisierung ähnlicher Projekte führte Weinberger nach Dresden, Florenz, Marseille, Sao Paolo und bis nach Tokio, wo er das Dach des Museums für zeitgenössische Kunst bepflanzte. Es entstanden kleine Projekte für Fensterbänke und bepflanzte Plastiksäcke wurden zu tragbaren Gärten. Die größte Fläche entstand in elfjähriger Arbeit auf einer Fläche von rund 500m2 an der Alten Donau in Wien.
In der Sammlung der Generali Foundation befinden sich zwei frühe Arbeiten des Künstlers, eine Papierarbeit und eine Gruppe von sieben grob behauenen, unterschiedlich großen Kalksteinen mit dem Titel "der Schlaf". Es handelt sich dabei nicht um Skulpturen im traditionellen Sinn, die in einem materialabtragenden Prozess der Formfindung aus einem größeren Stein entstanden wären. Der Künstler ließ die Kalksteine weitgehend unbearbeitet und nahm sie so an, wie sie sind. Das Fehlen einer festen Anordnung entspricht Weinbergers Ablehnung von starren Ordnungsprinzipien. Er nahm die rohen Brocken aus der unverfälschten Natur mit in den artifiziellen Museumsraum, wo sie als unveränderte Steine das Verhältnis von Natur und Mensch als einfache Aussage repräsentieren: Gleichgültigkeit. (DL)