Give Doubt the Benefit of the Doubt

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© Michael Fliri, Foto: Tizza Covi

Michael Fliri

Give Doubt the Benefit of the Doubt, 2010

Video, Farbe, Ton, 6 min 27 sec Geschnittene Version der gleichnamigen Performance, aufgeführt am 1. Juni 2010 in der Generali Foundation Kamera: Tizza Covi, Rainer Frimmel Spezial-Make-up Jade FX Workshop Auflage: 1/3 + 1 A.P.

GF0031163.00.0-2010

Werktext

Michael Fliri ist selbst Protagonist seiner Performances. Sie sind Versuchsanordnungen und Testläufe des Subjekts gegen eine widerständige oder indifferente Außenwelt, was letztlich auf dasselbe hinausläuft. Travestie und Maskierung verwandeln die antiheroisch agierenden „Helden“ in plakative Klischeefiguren oder Wesen, deren Kreatürlichkeit nicht eindeutig bestimmt werden kann. Der Cowboy, Punk, Footballspieler oder Selbstmordattentäter ist völlig unpathetisch in etwas hilflose Formen des Scheiterns verwickelt, so als wäre die wahre Heldentat die akribische Wiederholung und Demonstration eben jenes Scheiterns. Ständig wirkt die Figur, leicht überrascht und dabei doch heiter, mit dem Aufstand der Dinge beschäftigt, die animiert oder gar ein Eigenleben zu führen scheinen, dem Helden aber vielmehr wie zufällig in die Quere kommen, aus einer unglücklichen Verkettung der physikalischen Ereignisse heraus. Bisweilen ist er mit der Inversion des Logischen beschäftigt: wirft einen Plastikanker mitten in den Ozean, um sich als Schiffbrüchiger zu retten, baut ein Haus unter Wasser, das er gegen die Gesetze der Schwerkraft bewohnen will, oder wirft einen Anker auf einen Baum, um sich hochzuziehen und in der Luft „unterzugehen“. Atmosphärischen Widerständen wie Schnee und Wasser setzt er sich mutig aus und stoisch entgegen. Aber auch die Grenzen der Machbarkeit und eine plötzliche Kreativität und Leichtigkeit, die es möglich machen, mit den gekonnten Griffen des Bricoleurs die Welt nach eigenen Wünschen zu verändern, werden ausgelotet. Begleitet von simpler, monotoner Musik verändert er ohne Mühe sein Haus im Minutentakt durch flinkes Verschieben seiner Teile. Für die Generali Foundation führt Michael Fliri in der Menschenmenge des Eröffnungspublikums seine solitäre konzentrierte Handlung vor. Hier wird gewissermaßen hinter die Kulissen oder „hinter die Vierte Wand“ geschaut und „the work in its making“ gezeigt. Zunächst wird der Protagonist von einem Maskenbildner zu einem Anderen gemacht, einem hybriden Wesen mit anthropoiden Zügen, das in der Folge Fallübungen ausführt: Tests, wie beispielsweise eine Person, die umgebracht wird, wohl gefallen sein könnte – die Bodenmarkierungen halten in Umrissen die Möglichkeiten eines präjudizierten Ereignisses fest, schließlich wird die Illusion in der letzten Szene vollends aufgehoben, indem der Protagonist den Trick offenbart, der Blut spritzen lässt, wenn Helden zu Fall kommen … Die komischen, stummen Helden von Fliri erinnern an Buster Keatons oder Jacques Tatis gleichmütige Lakonik, Figuren, die mit minimalen Gesten des täglichen Scheiterns und der Poesie einfacher Handlungen die Funktionsweise, Paradoxie und Kontingenz unserer Welt durchleuchten und dabei doch offenbaren, wie mit Hingabe Dinge ganz einfach in den Griff zu bekommen sind, wenn auch nach den Regeln einer anderen Effizienz und dem Regime einer anderen Ordnung. (SF)