Kohlenstrasse

Ulrike Grossarth

Kohlenstrasse, 1984

Werktext

In Verbindung mit der Arbeit in der FIU arbeitete ich beständig weiter an Fragen der Bewusstseinsbildung durch Bewegung, die ich in Seminarform an verschiedenen Instituten mit vielen Menschen weiterentwickelte mit dem Ziel, ihnen raum-zeitliche Anschaulichkeit zu verleihen. Ein Höhepunkt dieser Untersuchungen war das Seminar Material und Masse, das ich 1984 am Deutschen Institut für Puppenspiel durchführen konnte. Eine sechswöchige Zusammenarbeit mit nur fünf Personen erlaubte uns ein sehr langsames, detailliertes Vorgehen und es war mein erster Versuch, plastische Prinzipien direkt mit Handlungsweisen zu verknüpfen. Wir arbeiteten damals in einem halbverlassenen, ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Krupp in einem Industriegebiet in Bochum. Dieser Ort bestimmte dann auch viele Experimente, weil historische Bezüge und der ,Mythos Krupp’ präsent waren. Einer der eindrücklichsten Versuche, die wir in der fünften Woche durchführten, war eine auf sechs Stunden hin angelegte Aktion in einem ca. 30 qm großen Büro in der zweiten Etage des Hauses. Wir hatten uns zuvor die Aufgabe gestellt, diesem Raumvolumen mit ausgedehnten Massen, d.h. Gegenständen aller Art, Form und Gewicht und deren Transport in den Raum zu begegnen. Zwei Tage lang stopften wir daraufhin Möbel und Geräte, die wir im Haus fanden, in unsystematischer Weise bis knapp unter die Decke des Raumes hinein, sodass wir gerade noch die Türe schließen konnten. In einer anderen Aktion (die auf Video aufgenommen wurde) werfen zwei Performer paarweise Möbelstücke aus dem ersten Stock in den Haupteingangsbereich während gleichzeitig andere die Treppe hinuntergehen, für einen Moment anhalten, um dann wieder hinaufzugehen. (Ulrike Grossarth)